Der Schmetterling ~ Nr.8 Sonntag, 1. Oktober 2023 0271-7411-0102 ~ www.lfl-siegen.de |
Ein schöner Nachmittag und Abend war es an der Grillhütte. Einsetzender Regen zwang uns in die Hütte, und dort konnten wir uns gut konzentrieren auf den Stand unserer Initiative: Austausch über die verschiedenen Eisen, die wir im Feuer haben, also vor allem tastende Kontakte, in Bezug auf mögliche Immobilien, Finanzierungsmöglichkeiten oder auch Kooperationen. Wir können und brauchen das nicht im einzelnen berichten – die Hausaufgaben bleiben einstweilen wie gehabt, auch von der Dringlichkeit her! [Bei dieser Gelegenheit die Bitte um Verständnis, wenn wir auf bereits Geschriebenes verlinken: in der Email- und der pdf-Ausgabe erscheint das logischerweise als Link auf unsere Website.]
Aber auch in vielen Gesprächen brachte sich ganz von alleine auf den Punkt, was wir wollen. Denn das wird oft klar, wenn man es vermisst.
Eine Kollegin berichtete aus ihrem neuen Arbeitsfeld an einer Schule (die das Waldorf-Label trägt). „Morgens begrüße ich die SchülerInnen einzeln an der Tür.“ – dies trug die Kollegin in sich und wollte es also auch hier so machen. Protest der jugendlichen SchülerInnen, und am zweiten Tag standen sie hämisch da: ihr Klassenlehrer, der nämlich „zu sagen“ habe, habe gesagt, das Begrüßen müsse nicht sein.
Ein anderer Tag: die Kollegin möchte mit der Klasse einen Waldspaziergang machen. Genöhle, und auch hier wenden sich die Jugendlichen an den Klassenlehrer und kommen mit dem Kompromiss zurück: okay, aber die Musik-Box kommt mit.
Zwei Kleinigkeiten, die unsern Impuls verdeutlichen. Warum waren wir mit unserer Kollegin bestürzt über diese beiden Erlebnisse? Kleben wir an „Traditionen“? Sind es einfach kulturelle Errungenschaften, die wir verlorengehen sehen: „Man“ begrüßt sich mit Handschlag, „man“ macht doch im Wald keinen Lärm … Entspringt also unsere Bestürzung einfach einem biederen Konservatismus? Und Anthroposophie und Waldorfpädagogik machen zu diesem Spießertum einfach die passende Begleitmusik? ~ Es ist genau andersherum. Nicht Tradition und Unbeweglichkeit bringt uns dazu, die SchülerInnen zu begrüßen und mit offenen Sinnen in den Wald zu gehen, sondern lebendiger Geist, der uns etwas vom Zukunfts-Sinn des Menschseins ahnen lässt. Für beide geschilderte Situationen haben wir aus der Anthroposophie etwas im Gepäck: die individuelle Begrüßung ist auch für die Jugendlichen letztlich keine leere Formsache, sondern eine Begegnung, die sie brauchen. Denn sie wollen im Erwachsenen eine Instanz spüren, über die sie noch nicht verfügen; „Wesensglieder“ und „pädagogisches Gesetz“ wären hier die Stichpunkte fürs Studium. Das Verständnis hierfür hätte den Klassenlehrer auch dazu gebracht, mit der Kollegin Rücksprache zu halten. – Und ein Waldspaziergang ist nicht einfach eine nette Entspannung, sondern wir haben durch Steiners Lehre von den zwölf Sinnen eine Ahnung, wie unerschöpflich und differenziert die Aufgabe und Quelle der vielberedeten „Achtsamkeit“ für den Menschen ist …
Waldorfpädagogik und Anthroposophie wollen also nicht an vergangenen Traditionen hängen. Höchstens könnte man sagen, dass sie im Sinne des Christentums die „Wiederbringung aller Dinge“ erhoffen, wie man an diesen kleinen Beispielen sieht. Und diese kommt ja aus der Zukunft, nicht aus einem Konservatismus.
~ alte Kamellen? ~ bewahrenswerte Schätze? ~ Klappspiegel öffnen? ~
Heute nichts Konkretes im Klappspiegel – denn natürlich haben wir uns an der Grillhütte auch über unsere alte Wirkensstätte ausgetauscht. Insgesamt das Gefühl: „es rumpelt und pumpelt“ dort. Was wir oben als Waldorf-Qualitäten beschrieben haben, war ja gerade in unserm dortigen Kollegium eine lebendig verinnerlichte Haltung. Wenn eine Schule das Label zu Recht trug, dann unsere, wurde uns oft gespiegelt. Also stimmt das Bild aus dem Märchen: Wer unrechtmäßig etwas „beseitigen“ will, wird feststellen, dass es in der Folge in ihm selbst sein Unwesen treibt. Dem Wolf „rumpeln und pumpeln“ die sieben Geißlein, die er gefressen hat, als Wackersteine im Bauch herum. Da hilft ihm auch die weiße Pfote, die er kurzerhand vom Bäcker erpresst hatte, nicht mehr.
Und wir? Wollen wir etwas beseitigen? Nein, eher gehen wir selbst ein Stückchen zur Seite. „Neues tun, um das Alte überflüssig zu machen.“