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Der Schmetterling ~ Nr.70

Sonntag, 16. März 2025
Lernen fürs Leben Siegen e.V.

0271-7411-0102  ~  www.lfl-siegen.de

Ich fühle Kraft des Weltenseins:
So spricht Gedankenklarheit,
Gedenkend eignen Geistes Wachsen
In finstern Weltennächten,
Und neigt dem nahen Weltentage
Des Innern Hoffnungsstrahlen.


Frühlingskonzert auf dem Eichhof …

… am Sonntag, 30. März 2025, 16 Uhr, mit dem Eichhof Orchester und dem Chor der Grundschule Ruppichteroth. Eintritt 10€/5€. Siehe www.eichhof.org.


Rudolf Steiner lesen …

… das gilt uns nicht als die schlechteste Empfehlung, wie man unten sieht. Unsere dementsprechende Büchersammlung mussten wir wie vieles andere zurücklassen. Die Schätze verteilen sich ja auf hunderte Vortragsbände, daher ist solch eine gemeinschaftliche Sammlung sinnvoll. Auch wenn heute alles im Netz erreichbar ist, liest man vieles dann doch lieber im realen Buch. Also: wir haben nichts dagegen, die ein- oder andere Erbschaft anzutreten, wo man sich von nicht mehr benötigten Steiner-Büchern trennen will (die EWS darf auch gern angesprochen werden). Unser zukünftiges Café wird sicherlich mit der Bibliothek kombiniert sein, im Sinne eines „Dritten Ortes“, wo auch Auswärtige die Bücher entleihen können.

Schulkonzept in Häppchen:  Zwölf Sinne: was haben wir davon?

Warum beschäftigen wir uns mit der Sinneslehre (Rudolf Steiners)? Was gibt sie uns, und was geben uns die Sinne?

Wir wollen, wie gesagt, nicht nur unsere „5 Sinne beieinander haben“, um unsern Alltag einigermaßen zu bestehen. Dass wir mehr als diese 5 brauchen, ist schon klar geworden, denn z.B. ohne Gleichgewichts- und Bewegungssinn könnten wir ja nichtmal gerade durch den Raum gehen. In der Heilpädagogik lehren uns die Kinder, diese Dinge nicht für allzu selbstverständlich zu nehmen.

Das Thema geht aber auch weit über ein bloßes „Funktionieren“ der Sinne hinaus. „Nihil in intellectu quod non prius in sensu“: Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war! Dieser Satz wird zwar seit Jahrhunderten unter europäischen Philosophen weitergereicht. Aber das Wissen darüber, was wir ~ zumal nicht nur im Verstand, sondern überhaupt ~ unseren Sinnen verdanken, ist noch sehr erweiterbar und für die Pädagogik natürlich sehr relevant. Schauen wir uns (bevor wir zu den „oberen“ Sinnen weitergehen) zwei Hinweise von Rudolf Steiner dazu an. Zunächst zu den „unteren“ Sinnen:

Wir haben mathematische Wahrheiten, geometrische Wahrheiten. Ein oberflächliches Menschenbetrachten denkt: Nun ja, der Mensch nimmt aus seinem Kopfe oder irgendwo heraus ~ nicht wahr, so bestimmt sind ja die Vorstellungen nicht, die man sich da macht ~ die Mathematik. ~ Aber das ist ja nicht so. Diese Mathematik kommt aus ganz andern Gebieten. Und wenn Sie den Menschen betrachten, so haben Sie ja die Gebiete gegeben, aus denen das Mathematische kommt: Es ist der Gleichgewichtssinn, es ist der Bewegungssinn. Aus solchen Tiefen herauf kommt das mathematische Denken, bis zu denen wir nicht mehr hinreichen, hinuntergehen mit unserem gewöhnlichen Seelenleben.

Sicherlich kann man „Intelligenz“ nicht einfach am „Funktionieren“ des Gleichgewichts- und Bewegungssinnes festmachen, das ist klar. Aber die Forschung hat, nachdem Steiner vor 100 Jahren darauf aufmerksam gemacht hat, sehr wohl bestätigt, wie stark die Entwicklung des kindlichen Weltverstehens mit dieser sogenannten „Sensomotorik“ zusammenhängt; berühmt sind die Forschungen von Jean Piaget, der die kognitive Entwicklung in den ersten Lebensjahren des Kindes detailliert erforschte. Nochmal Steiner:

Wenn Sie nun diesen ganzen Umfang desjenigen, was vorgeht zwischen der Empfängnis [also nicht erst nach der Geburt!] und dem Zahnwechsel, erfassen, so sehen Sie darinnen ein starkes Arbeiten dieser drei inneren Sinne. Und wenn Sie dann durchschauen dasjenige, was da geschieht, dann merken Sie, dass im Gleichgewichtssinn und im Bewegungssinn sich nichts anderes abspielt, als ein lebendiges Mathematisieren. Und damit es lebendig ist, deswegen ist eben der Lebenssinn dabei, der es durchlebendigt. So sehen wir innerlich gewissermaßen latent eine ganze Mathematik an dem Menschen tätig sein, die dann nicht etwa ganz abstirbt mit dem Zahnwechsel, aber die wesentlich weniger deutlich wird für das spätere Leben. Das, was da innerlich im Menschen tätig ist durch Gleichgewichtssinn, durch Bewegungssinn, durch Lebenssinn, das wird frei. Die latente Mathematik wird eine freie, wie die latente Wärme eine freie Wärme werden kann. Und wir sehen dann, wie dasjenige, was als Seelisches zunächst den Organismus durchwoben hat, durchseelt hat, wie das als Seelenleben frei wird, wie die Mathematik aufsteigt als Abstraktion aus dem Zustande, in dem sie zuerst konkret im menschlichen Organismus gearbeitet hat. Und wir gehen dann von dieser Mathematik, weil wir ja den räumlichen und den Zeitverhältnissen nach als Mensch ganz eingespannt sind in das Gesamtdasein, wir gehen dann, nachdem wir freigemacht haben diese Mathematik, mit ihr an die Außenwelt heran und erfassen die Außenwelt mit demjenigen, was bis zum Zahnwechsel in uns gearbeitet hat.

Was Steiner also nicht wie Piaget im psychologischen Beobachtungslabor, sondern auf anderen Wegen erforschte, und was er nicht in schematisch geordneten Lehrbüchern, sondern in freien Vorträgen darstellte, stimmt gut zusammen mit dem, was man heute weiß: gesunde Intelligenzentwicklung ist (unter anderem) darauf angewiesen, dass die sensomotorische Entwicklung des kleinen Kindes genügend Anregungen bekommt, speziell in diesen unteren Sinnen.

Gibt es auch ein „Geschenk“ der mittleren, der „gefühlsverwandten“ Sinne? Ja, aber hier sind die Zusammenhänge noch weniger vom aktuellen öffentlichen Bewusstsein erfasst. Analog zum „Arbeiten“ der unteren Sinne im „ersten Jahrsiebt“ spricht Steiner für die weiteren Jahre bis zum 14. Lebensjahr davon, was die Eindrücke der Außenwelt (also grob gesagt: der mittleren Sinne) „machen“:

Man hält dieses Sich-Hingeben an die Außenwelt heute für ein bloßes abstraktes Wahrnehmen oder abstraktes Erkennen. Das ist es nicht. Indem wir umgeben sind von einer farbigen Welt, indem wir umgeben sind von einer tönenden Welt, indem wir umgeben sind von einer wärmenden Welt, kurz, indem wir umgeben sind von alldem, was Eindrücke auf unsere Sinne macht, was durch Verarbeitung der Eindrücke mit unseren Vorstellungen wiederum neuerdings Eindrücke auf unsere Organisation macht, indem wir alles dasjenige bewusst erleben, sehen wir, dass wir, wenn wir es unbewusst erleben seit der Kindheit, mit den Farbeneindrücken, mit den Toneindrücken etwas aufnehmen, was als Geistiges unsere Organisation durchdringt. Und wenn wir zum Beispiel zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife die Liebesempfindung aufnehmen, so ist das nicht etwas, was herauswächst aus unserem Leibe, sondern ist etwas, was der Kosmos uns gibt, was der Kosmos uns durch Farben, durch Töne, durch Wärmeströmungen, die an uns herankommen, gibt. Wärme ist noch etwas anderes als Wärme, Licht ist etwas anderes als Licht im physischen Sinne, Ton ist etwas anderes als Ton im physischen Sinne. (…) Durch diese Hingebung wirkt (…) Geist, es wirken die Kräfte, die uns erst hier in der physischen Welt zwischen Geburt und Tod zu dem machen, was wir als Menschen sind.

In einem andern Vortrag heißt es (und man kann es aus den dortigen Zusammenhängen ebenfalls auf die Sinneswahrnehmung beziehen):

Wir atmen eigentlich dasjenige ein, was uns geschlechtsreif macht, was uns aber auch im weiteren Sinne die Möglichkeit gibt, mit der Welt in ein Verhältnis des liebenden Umfangens zu treten.

Wie gesagt: das ist wohl zunächst kein lehrbuchfähiges Wissen, eher „Bilder“, aber doch etwas, was der Waldorfpädagogik selbst ihren „Atem“ gibt. Die Sinnes-Qualitäten auch dieser Gefühls-Sinne, also die Geschmackserlebnisse, Düfte, Farben, Wärmeerscheinungen, Töne, sind nicht einfach wesenlose Zugaben des Lebens („abstraktes Wahrnehmen und Erkennen“), sie bauen uns auf, mit unserer menschlichen Reife, unserer Liebefähigkeit.

Solche Gedanken geben einen anderen, zumindest ergänzenden Hintergrund, nicht zuletzt auch für den Blick auf die Pubertät, als wenn man einfach denkt, dass diese „herauswächst aus unserem Leibe“ („ach, die Hormone“). Gerade für die Jahre vor und in der Pubertät empfiehlt Steiner immer wieder einen stark „künstlerischen“ Unterricht, der die Gefühls- und Sinnesqualitäten einbezieht und vertieft.

Körperliches zeitigt Intelligenz (der obige erste Punkt), Seelisches zeitigt Körperliches (der zweite Punkt): die Sinneslehre realisiert Brückenschläge zwischen Körper, Seele und Geist, die für die Pädagogik reichlich fruchtbar sind. Steiner hat gottseidank nicht damit gewartet, bis Philosophen und Naturwissenschaftler, die an diesen Brückenschlägen lange herumknacken, ihr wissenschaftliches Placet dazu geben.


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