Dienstag, 23. April 2024
Ist es nicht überflüssig, Kinder überhaupt zu „sortieren“ nach „normal“ und „anders“, egal ob man das „Andere“ dann „Behinderung“ nennt oder wie auch immer? O ja, das ist nur spießbürgerliche Gewohnheit ~ mit dieser Aussage führte niemand geringeres als Rudolf Steiner in den „Heilpädagogischen Kurs“ ein, der in diesem Jahr 100 Jahre alt wird. Warum dann Schulen für besondere Kinder? Ganz einfach: die Spießbürgerbrille abzulegen heißt ja nicht, unaufmerksam zu werden, im Gegenteil. Aufmerksamkeit nämlich darauf, was andere Menschen, in diesem Fall Kinder, brauchen. Wenn man dies als Leitschnur nimmt, dürfte man dem Ziel von Inklusion näher kommen. Zurecht mahnte man damals, als dieser Begriff aufkam, dies dürfe nicht heißen, den Kindern Aufmerksamkeit zu entziehen und Förderschulen unbedacht abzuschaffen.
Was „unsere“ Kinder brauchen, haben wir in der Praxis erfahren. Das wichtigste: Überschaubare Klassen und Verhältnisse überhaupt, stabile Beziehungen. Unsere maximale Klassengröße von 12 Kindern ermöglicht es, dass die Lehrkraft (zu ihrer Rolle später etwas) einen Draht zu jedem einzelnen Kind hat, der intensiv genug ist.
Was ohne diesen Draht ist, konnte man in der Corona-Zeit erleben. Wenn es für andere Kinder schon schwierig genug war, am „Distanzunterricht“ teilzunehmen (zu Hause am Bildschirm), so war das für die meisten Kinder mit Behinderungen fast unmöglich. Sie brauchen deutlich mehr als andere die direkte, sinnliche Ansprache, im Raum „hier und jetzt“.
Das funktioniert aber auch nicht, wenn 20 oder mehr andere Kinder da sind. Ein Integrationshelfer kann zwar theoretisch versuchen, alles und jedes, was der Lehrer sagt und tut, zu „übersetzen“ für ein besonderes Kind. Aber dann geht der „Draht“ eben um eine Ecke, und vor allem bekommt das Kind das Gefühl, es sei irgendwie nicht ganz in Ordnung.
Man sagt ja auch, ein Kind „kommt in der Schule nicht mehr mit“, und meint die „Leistung“ damit, das Lernvermögen, aber nicht nur. Denn am schlimmsten ist für ein Kind, wenn es das Gefühl hat, es gehöre nicht mehr dazu. Das muss gar kein böser Wille der andern Kinder sein. Wir haben viele Kinder erlebt, die als Quereinsteiger z.B. in der fünften Klasse zu uns kamen und schon eine echte Leidensgeschichte hinter sich hatten.
Das Zugehörigkeitsgefühl halten wir für das allerwichtigste für ein Schulkind. Das muss die Grundlage für das Lernen sein. Deshalb wollen wir für Kinder, bei denen der „Förderbedarf“ früh absehbar ist (und man kann nur mahnen, die Augen ehrlich zu öffnen), eine „Schulzeit aus einem Guss“ von der 1. bis zur 12. Klasse anbieten.
Ist unsere Art von Schule ein „Schonraum“, der die Kinder verzärtelt? Ein geschützter Raum, ja. Er kann Kräfte wecken, er macht nicht schwach. Oder, wenn Sie zuhause in Ihrer Familie glücklich sind, haben Sie das Gefühl, das schwächt Sie für das Leben draußen?
Nehmen Sie übrigens alles, was wir hier beschrieben haben, als unsere persönlichen Eindrücke und Einschätzungen. Wir wollen keine anderen Modelle schlechtreden. Überhaupt: am besten können wohl die Kinder und Eltern spüren, was richtig ist. Wir sind froh, dass die Schulform „Förderschule“ (um die uns einige andere Länder beneiden) bei uns erhalten geblieben ist als Angebot. Die Freiheit zu wählen sehen wir als kleines Stück der Freiheit im Bildungswesen, die es überhaupt noch viel weiter zu entwickeln gilt in der Zukunft.