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„Schulkonzept in Häppchen“

Sonntag, 6. Oktober 2024

Zwischen Autonomie und Schulgesetz: unser „Auftrag“

Dürfen wir als Schule in freier Trägerschaft machen was wir wollen, oder leben wir in einem zu engen gesetzlichen Korsett? Weder noch! Wir sollen „das Schulwesen bereichern“!



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Wir legen ~ als werdende Waldorfschule ~ großen Wert darauf, dass wir viele Freiheiten haben, die andere, „staatliche“ Schulen nicht haben: wir können unseren Lehrplan, unsere Unterrichtsmethoden, unsere Pädagogik so verstehen und gestalten, „wie wir das wollen“. Aber dieses Wollen ist natürlich keine Beliebigkeit, sondern immer das Resultat von langen, weiten und tiefen Bemühungen nicht nur im Kollegium, sondern in der gesamten Waldorf-Bewegung, einschließlich ihrer Ausbildungsstätten, Seminarhäuser, letztlich: Resultat der äußeren und inneren Arbeit vieler Menschen, die Wertvolles in diese Bewegung beitragen. Dazu gehört auch das überaus lebendige „Werk“ des überaus innovativen Gründers unserer Schulbewegung, Rudolf Steiner. Daran finden die Bemühungen immer wieder, und zwar wie von selbst aus der Sache heraus, ihren Bezugspunkt ~ und umschiffen die Gefahr der Willkür. Das nennen wir gern „freies Geistesleben“, vor dem Hintergrund einer, wie wir meinen, anzustrebenden „Dreigliederung des sozialen Organismus“. Diese beinhaltet eben, dass in „geistigen“ Belangen, wie es die schulische und sonstige Erziehung und Bildung sind, die Beteiligten und Betroffenen eigentlich am besten wissen, was gut ist ~ und nicht so sehr „Vater Staat“.

Der Staat setzt natürlich einen Rahmen dafür, in vielerlei Gesetzen und Verordnungen. Um es kurz zu sagen: hierzulande ist es kein zu enges Korsett. Die Bestimmungen in NRW sind im Großen und Ganzen vernünftig. Die Leitlinie ist die Vergleichbarkeit: wir dürfen ruhig eine „andere“ Schule machen, sie soll jedoch nicht „schlechter“ sein als öffentliche Schulen, und dem entsprechend erhalten wir auch das nötige Geld, um „genauso gute“ Dinge zu machen, z.B. „genauso gute“ LehrerInnen einzustellen. Natürlich bedauert man manchmal, einen tüchtigen Menschen nicht als Lehrkraft einstellen zu können, weil ihm „die Papiere“ fehlen; aber meistens passt der Rahmen. Und dann gibt es noch die konkreten Menschen in Schulaufsicht und Verwaltung, die den Sinn der Vorgaben nicht im Verhindern, sondern im Ermöglichen von Wertvollem wissen und uns damit begleiten.

Also: wir dürfen ruhig anders sein, vielleicht sogar besser ~ jedenfalls scheint das Schulgesetz seit 2005 diesen Wunsch auszudrücken mit dem Sätzlein: „Schulen in freier Trägerschaft ergänzen und bereichern … das öffentliche Schulwesen.“ Das nehmen wir gern als unsern „gesellschaftlichen Auftrag“ an ~ oder würden das tun, wenn es heute noch „gesellschaftliche Aufträge“ geben könnte. Denn wer sollte die erteilen? Der Staat, die Kirche, die Wissenschaft, die Wirtschaft …? Statt einer gesellschaftlichen „Mitte“ hat sich längst herausgestellt, das es verschiedene „Glieder des sozialen Organismus“ gibt, oder wie moderne Soziologie sagt „Funktionssysteme“: und jedes hat seine eigene Sichtweise!

Lebt im staatlichen Schulwesen sogar selbst der Wunsch nach mehr Autonomie? Das kann man pauschal wohl nicht sagen. Aber man erfährt von vielen LehrerInnen, die unter dem als hierarchisch empfundenen System leiden, und auch das System selbst will sich manchmal diesbezüglich reformieren. Wir erinnern uns an einen gewissen Aufbruch, der schon eine Generation her ist: Heiner Barz schildert in einem Artikel, den wir sehr lesenswert finden, wie hoffnungsfroh man 1995 unter Johannes Rau eine „Schule der Zukunft“ projektierte, die viel mehr Autonomie der einzelnen Schule bedeutet hätte. Man staunt, wovon damals ~ für das öffentliche Schulwesen! ~ geträumt wurde, siehe hier auf Wikipedia. Leider, und aus bestimmt interessanten Gründen, ist dies in die Gegenrichtung gekippt, wie Barz beklagt. Aber es spricht dafür, dass, wo Menschen Erziehung und Bildung veranstalten, die Tendenz nach Selbstbestimmung tief veranlagt ist ~ weil es im Kern um Begegnung individueller Menschen geht.

Wir als „freie Schule“ bleiben also zunächst etwas „besonderes“ ~ ohne das zu wollen. Wir wissen auch, dass, wo „Vater Staats“ Vorgaben in den inhaltlichen Bereichen wegfallen, es unbequem und mühsam werden kann. In der Waldorfschule, so Steiner, fallen die „Rektorats-Verordnungen als Ruhekissen“ weg. Ja, die Autonomie, die nach außen hin in Anspruch genommen wird, wird auch nach innen hin kultiviert: es gibt keinen Schulleiter. „Jeder muss selbst voll verantwortlich sein.“ Dass es dennoch und gerade deshalb Struktur, Einheit und Qualität geben kann, haben Waldorfschulen vielfältig bewiesen, und es wird erreicht durch Fakten des „freien Geisteslebens“. Viele Waldorfschulen sind allerdings mehr oder weniger restaurativ auf den alten, hierarchischen Weg zurückgekehrt ~ wir halten den neuen für zeitgemäßer und zukunftsträchtiger.

Wir müssen also nicht nur ein Schulkonzept aufstellen und fertig, sondern uns wieder auf wöchentliche intensive Konferenzarbeit einstellen, denn die gehört zu einer freien Schule. Dort in der Konferenz ist auch der Ort, wo wir dafür sorgen, dass wir nicht schlechter sind als andere: „Qualitätssicherung“. Wir wissen aus Erfahrung: auch die kann Spaß machen!



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